Knoerig fordert: „Bundesregierung muss Wintershall-Verkauf intensiv prüfen“
Unmittelbar vor Heiligabend hat der größte deutsche Chemiekonzern BASF mit der Mitteilung aufhorchen lassen, seine Tochter WintershallDea an das britische Ölunternehmen Harbour Energy zu veräußern. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Axel Knoerig, blickt mit viel Skepsis auf diesen Deal, der laut Unternehmensangaben im vierten Quartal 2024 abgeschlossen werden soll. „Aus Arbeitnehmerperspektive, aber auch aus wirtschafts- und energiepolitischer Sicht muss man diese Transaktion kritisch betrachten. Ich sehe die Bundesregierung voll in der Pflicht, sich die Verkaufspläne ganz genau anzuschauen“, fordert Knoerig.
Wie BASF mitteilt, seien die Hauptverwaltungssitze von WintershallDea und deren Mitarbeitende nicht Teil der Übernahmepläne, die Umstrukturierungen hätten demnach die Schließung der deutschen Hauptquartiere in Kassel und Hamburg zur Folge. „Harbour Energy beabsichtigt zwar, einige der derzeit 850 Beschäftigten an beiden Standorten zu übernehmen. Doch die meisten von ihnen werden vermutlich ihren Arbeitsplatz verlieren“, befürchtet der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der zudem moniert, „dass das Timing dieser Mitteilung, die derart gravierende Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat, so kurz vor Weihnachten an Taktlosigkeit kaum zu überbieten ist“. Dass der zentrale Technologie- und Ausbildungsstandort des Unternehmens in Barnstorf, der in Knoerigs Wahlkreis Diepholz/Nienburg I liegt, mit etwa 100 Mitarbeitern von den Umstrukturierungsmaßnahmen nicht betroffen sein soll, sei da nur ein kleines Trostpflaster.
Knoerig erachtet darüber hinaus die Gefahr für groß, dass sich Deutschland zu abhängig von außen macht: „Wir drohen Energiesouveränität einzubüßen, wenn wir uns verfrüht vom Erdgas lösen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 brauchen wir diese Energiequelle noch zur Überbrückung.“ Zumal es seitens der Regierung an einem Konzept mangele, wie in den nächsten gut 20 Jahren eine flächendeckende Versorgung ausschließlich mit Erneuerbaren Energien garantiert werden kann. „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss massiv und unbürokratisch vorangetrieben werden. Allerdings werden viele Potenziale, wie beispielsweise beim Biogas, zurzeit noch nicht optimal ausgeschöpft, weil die richtigen Förderinstrumente fehlen. Die Ampel muss da viel mehr aufs Tempo drücken.“
Durch den Verkauf von WintershallDea drohe Deutschland außerdem die Abwanderung einer Schlüsseltechnologie: „Es macht für mich den Anschein, dass Harbour Energy es vor allem auf die Lizenzen und das Know-how von WintershallDea abgesehen hat.“ So habe das Unternehmen die Expertise im Bereich der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid fast schon exklusiv. „Ich kann nur schwer nachvollziehen, wie man solch eine Technologie als wichtigen Baustein auf dem Weg zur Transformation der energieintensiven Industrie einfach ziehen lässt“, so der Arbeitnehmergruppen-Vorsitzende weiter.
Knoerig sieht die Bundesregierung aus den genannten Gründen in der Pflicht, eine schnelle und ergebnisoffene Prüfung der Verkaufspläne von BASF vorzunehmen: „Das ist sie den vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Beschäftigten, aber auch der deutschen Wirtschaft und Bevölkerung auf dem Weg zur Klimaneutralität schuldig!“
Hintergrund:
Der Chemie-Großkonzern BASF und Letter One planen laut einer Mitteilung vom 21. Dezember 2023 den Verkauf ihrer Anteile am Gas- und Ölkonzern WintershallDea, wobei BASF bislang 72,7 Prozent und Letter One 27,3 Prozent der Anteile am Unternehmen hält. Demnach soll das gesamte Produktions- und Explorationsgeschäft – ausgenommen sind Russland-Aktivitäten – an das britische Ölunternehmen Harbour Energy übertragen werden.
Die Vereinbarung umfasst die Übertragung des Produktions- und Entwicklungsgeschäfts sowie Explorationsrechte in Norwegen, Argentinien, Deutschland, Mexiko, Algerien, Libyen, Ägypten und Dänemark sowie Lizenzen zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, im Fachjargon „Carborn Capture and Storage“ (CCS) genannt. Ziel des Verkaufs ist laut BASF die strategische Trennung vom Öl- und Gasgeschäft, insbesondere als Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.